Vergnügen von Anfang an

Braucht man einen Fotoapparat, um „gute“ Fotos schießen zu können? Klare und eindeutige Antwort: nein. Was man braucht, ist ein geschultes Auge. Aber manchmal schafft man sich ja auch Dinge an, die man nicht braucht, einfach, weil man Spaß daran hat. Die Freude, etwas Besonderes in Händen zu halten, ja, vielleicht auch, sich ein wenig von der Masse abzuheben. Damit ein solches Gerät wirklich zum Vergnügen wird, sollte man viel Zeit für den Erwerb einplanen. Das Internet ist keine echte Hilfe.

Die beste Kamera ist die, die man dabei hat“, lautet eine alte Binsenweisheit unter Fotografen. Die Statistik sagt, dass fast jeder Deutsche unter 50 Jahren ein Smartphone besitzt und damit ständig eine Kamera mit sich herumträgt. Fotoapparate werden üblicherweise anlassbezogen eingepackt, sind also eher selten einsatzbereit. Zudem setzen die Geräte Kenntnisse in der Handhabung voraus, während beim Smartphone in der Regel zwei Fingertipps ausreichen. Braucht man aber nicht einen Fotoapparat, wenn man ein wirklich „gutes“ Foto erhalten will? Auch wenn die Kamerahersteller es nicht gern hören: Nein, braucht man nicht. Die Produzenten von Smartphones setzen alles daran, eine Bildqualität zu erreichen, die sich von der eines Fotoapparates nicht mehr unterscheidet. Und es gibt inzwischen mehr als nur eine Situation, in der das Smartphone bessere Ergebnisse erzielt. Die Entwicklung geht rasant weiter. War man etwa bis vor ein, zwei Jahren mit einem Fotoapparat klar im Vorteil, wenn das Foto ein Bokeh, also einen unscharfen Hintergrund haben soll, haben die Smartphones inzwischen nahezu gleichgezogen. Unterschiedliche Blendenöffnungen, verschiedene Brennweiten? Zumindest bei den neuen Spitzenmodellen der Smartphones alles kein Problem mehr. Von der Weiterverarbeitung eines Fotos ganz zu schweigen. Wenn also jemand, der fotografieren möchte, zum Fotohändler kommt und nach einer Kaufempfehlung fragt, kann die Antwort eigentlich nur lauten: Kaufen Sie sich ein Smartphone. Wer noch zweifelt, lasse mal ein Smartphone in der Schutzhülle und einen Fotoapparat zu Boden fallen. Während der eine sein Gerät anschließend zum Hersteller schickt, um es für teures Geld reparieren zu lassen und Wochen auf die Reparatur wartet, hebt der andere sein Gerät auf und fotografiert weiter.

Die Freude am Fotoapparat bleibt

Wird es also in absehbarer Zeit keine Fotoapparate mehr geben? Ganz im Gegenteil. Den Herstellern von Fotoapparaten geht es gut. Denn die Freude an der Technik und vor allem an der Haptik, also einen Fotoapparat in der Hand zu halten, ist ungebrochen. Derzeit verzeichnen die Hersteller gar wieder eine verstärkte Nachfrage nach analogen Kameras, aber das nur am Rande. Immer mehr Menschen wollen sich auf das Abenteuer einlassen. Und denjenigen, die eigentlich nur ein passendes Accessoire für das Handschuhfach des Sportwagens suchen, denen es dabei nicht auf den Preis und die Qualität ankommt, ist schnell geholfen. Die können für viel Geld in Wetzlar bestellen. Schwieriger wird es, wenn das Geld nicht ganz so locker sitzt und man vermeiden möchte, zusätzlich teures Lehrgeld zu bezahlen.

Das weltweite Netz kann manchmal eine fabelhafte Angelegenheit sein. Man entdeckt begeisternde Produkte, kann auch gleich anhand von Ratgeber-Videos überprüfen, ob sie wirklich das taugen, was sie versprechen. Als ich über die Olympus Pen-F stolperte, war ich hin und weg. Eine spiegellose Kamera mit einem sensationellen Retro-Design. Klein und handlich, zu einem halbwegs vernünftigen Preis. Selbstverständlich ließ ich mich nicht blenden, sondern las Testberichte und schaute Videos bis zum Umfallen. Ich konnte nur Lob entdecken. Was mir keiner sagte, war, was ein MFT-Sensor bedeutet. Hätte ich es gewusst, wäre mir sofort klar gewesen, dass diese Kamera für mich überhaupt nichts taugt. Aber auch der Verkäufer beim Kamera-Händler war voll des Lobes. Da bekäme ich eine sehr gute Kamera. Guten Gewissens marschierte ich zur Kasse. Die Freude am Kauf währte bis zum ersten Foto. Danach begann der Alptraum. Um es abzukürzen: Es ist mir nicht gelungen, mit diesem Fotoapparat auch nur eine erhaltenswerte Aufnahme anzufertigen. Damit wurde es die teuerste Kamera meines Lebens.

Der Einsatzbereich zählt

Man kann sich vor solchen Fehlkäufen nicht mit letzter Sicherheit schützen. Aber man kann einiges unternehmen, um halbwegs sicherzugehen, mit der neuen Kamera von Anfang an Spaß zu haben. Der wichtigste Rat, den man geben kann, ist, sich Zeit zu nehmen. Zunächst einmal, um sich sehr genau zu überlegen, wo und wann die neue Kamera eingesetzt werden soll. Denn die Universalkamera für jeden Zweck gibt es nicht. Zumindest nicht, wenn der Kaufpreis und das Gewicht in die Überlegungen mit einbezogen werden. Entscheidend ist nicht, ob die Kamera möglichst viele Optionen bietet, sondern, ob sie für den geplanten Einsatz ausreicht. Eine Kamera, die ich mit in den Urlaub nehmen will und die ich ansonsten für ein paar Familienaufnahmen brauche, muss weder eine herausragende Seriengeschwindigkeit noch eine besondere Lichtstärke besitzen. Eine kleine, handliche und leichte Kamera mit einem APSC-Sensor wird hier für viel Freude sorgen. Freunde der Landschaftsfotografie werden mit einem solchen Gerät ebenfalls gut versorgt sein, sich aber womöglich eher für ein Weitwinkel-Objektiv als im ersten Fall für ein Zoom-Objektiv entscheiden. Sportfotografen brauchen keine große Lichtstärke, wollen aber möglichst schnell möglichst viele Fotos hintereinander aufnehmen. Den großen Sensor einer Vollformat-Kamera werden Menschen schätzen lernen, die viel in der Dunkelheit fotografieren. Deshalb gilt die Regel: Je genauer der Verwendungszweck im Vorfeld festgelegt werden kann, desto größer wird später die Freude an der Kamera sein.

„Je genauer der Verwendungszweck im Vorfeld festgelegt werden kann, desto größer wird später die Freude an der Kamera sein.“

Die gute Nachricht ist: Um technische Spezifikationen braucht man sich nicht wirklich zu kümmern. Dazu liegen die Kameras in ihrer Ausstattung alle viel zu dicht beieinander. Bei der Bildqualität – und die ist schließlich das, was zählt – gibt es keine signifikanten Unterschiede mehr. Bei dem einen Fotoapparat ist der Autofokus ein bisschen präziser und schneller als bei dem anderen. In der täglichen Praxis spielt das keine kaufentscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, dass einem das Gehäuse gut in der Hand liegt. Was für die eine Hand ein Schmeichler ist, droht in der anderen Hand keinen Halt zu finden. Die Kamera, die einem nach einem Kilometer Fußweg schwer auf der Schulter hängt, taugt nicht so viel wie die, mit der die Stadtbesichtigung den ganzen Tag dauern kann. Und damit ist die zweite entscheidende Phase genannt, für die man sich viel Zeit nehmen sollte. Der Kauf sollte zu einem Zeitpunkt erfolgen, nach dem man die Kamera an den zwölf folgenden Tagen ständig im Einsatz haben kann. Das vierzehntägige Rückgaberecht ist aktiver Käuferschutz, der nur selten genutzt wird. Dabei ist der Zeitraum ausreichend, seine Kamera in allen Situationen kennenzulernen. Nach einer Woche wird vermutlich jeder wissen, ob er seine neue Kamera liebt oder den Kauf bereut.

Von der Schwierigkeit, den rechten Berater zu finden

Früher ging man zum Foto-Händler seines Vertrauens und ließ sich beim Kauf beraten. Die Zeiten sind vorbei. Heute wartet kein Verkäufer mehr darauf, dass die Kunden nach vier Wochen wiederkommen, um sich für die Empfehlung zu bedanken. Was im Provisionsgeschäft zählt, sind Abverkaufszahlen. Und deshalb sollte man sich auch nicht darauf verlassen, was einem im Laden angeboten wird. Hier steht oft genug auch nur noch, was sich aus Sicht des Händlers günstig einkaufen und schnell abverkaufen lässt. Es macht durchaus Sinn, sich über die Produktvielfalt der Hersteller auf deren Internetseiten zu informieren.

Ein schlechter Rat ist übrigens zu schauen, was die „Profi-Fotografen“ um den Hals tragen. Die haben – Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel – auf einem bestimmten Gerät gelernt, sich für viel Geld das dazugehörige System zugelegt und haben normalerweise anderes zu tun, als sich um technische Weiterentwicklungen zu kümmern. Auch so genannte Markenbotschafter sind zwar in der Regel sehr sympathische Menschen, verwenden ihre Gerätschaften aber nicht zwingend deshalb, weil sie besonders überzeugt von der Qualität sind, sondern die Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Als Ratgeber taugen sie deshalb noch lange nicht.

Ein letztes Wort zur Wahl der Objektive. Dafür kann man unendlich viel Geld ausgeben. Erfahrungsgemäß ist das meiste davon zum Fenster rausgeworfen. Das steht jedem frei. Und es macht ja auch Spaß, hier immer mal wieder was Neues auszuprobieren, auch wenn die meisten Objektive anschließend ungenutzt in der Schublade herumliegen. Derzeit arbeiten einige Hersteller daran, den schlechten Ruf ihrer „Kit-Objektive“, also der Objektive, die zusammen mit der Kamera in einer Kombination angeboten werden, aufzupolieren. Es spricht für die erste Zeit nichts dagegen, bei solchen Angeboten zuzugreifen, weil die Objektive da häufig für kleines Geld zu bekommen sind. Ein beliebtes Kit-Objektiv ist beispielsweise ein 16-55-mm-Zoom-Objektiv. Damit ist zunächst einmal die Bandbreite von der Weitwinkel-, sprich Landschafts- oder Architekturfotografie, bis zum Porträtfoto abgedeckt. Neben dem Zusatz-Akku ist aber auch der Kauf einer Festbrennweite beim Erwerb der neuen Kamera unbedingt empfehlenswert. Das könnte zum Beispiel beim APSC-Sensor ein 35-mm-Objektiv sein, das in etwa dem 50-mm-Kleinbildformat entspricht. Beide sind bezahlbar und können den Grundstein für die Zukunft legen. Wer sich einmal auf Festbrennweiten einlässt, wird nicht nur schnell den Qualitätszuwachs, sondern auch die sehr viel interessantere Fotografie entdecken.

Das „gute“, vielleicht sogar das „beste“ Foto entsteht nicht aufgrund der Technologie des Fotoapparates, da sind Smartphones inzwischen gar überlegen. Entscheidend ist die Bildkomposition, und dabei nimmt einem die Technik nichts ab. Um hier entsprechende Ergebnisse zu erzielen, helfen Lektüre, Workshops, persönliche Trainings und Foto-Spaziergänge mit Gleichgesinnten. Und eigentlich braucht man keinen Fotoapparat, wenn man nicht mit solchen Geräten aufgewachsen und auf die Haptik „angewiesen“ ist. Aber wer sich auf das wunderbare Hobby einlassen will, kommt mit den vorgenannten Tipps sicher und gut an den Start, ohne allzu viel Lehrgeld zu zahlen.

Michael S. Zerban